Harald begegnete gestern im Wald einem ganz speziellen Kerlchen. Gemächlich bewegte sich ein großer, blauschwarz glänzender Käfer über Laubblätter am Wegesrand. Wunderschön sah er aus in der Sonne!
Was da so krabbelte, war ein Ölkäfer, der landläufig auch „Maiwurm“ genannt wird. Wenn man Glück hat, trifft man ihn in den Monaten April und Mai bei uns im Wald. Er ist ein Pflanzenfresser und ernährt sich von Bärlauch, Buschwindröschen, Scharbockskraut und vielen anderen Blütenpflanzen.
Es gibt verschiedene Arten von Ölkäfern. Wir sind uns nicht sicher, ob es sich bei Haralds Exemplar um den Violetten oder um den Schwarzblauen Ölkäfer handelt. Sie sind für „Nicht-Biologen“ schwer zu unterscheiden.
Die metallisch schimmernden Ölkäfer werden rund einen bis fünf Zentimeter lang und haben einen ziemlich auffälligen Körperbau. Kopf und Halsschild sind punktiert, die Deckflügel bedecken nur einen kleinen Teil des wurmartigen Hinterleibes (vielleicht kommt daher der Name „Maiwurm“?). Die Weibchen sind meist ein wenig größer als die Männchen. Haralds Käfer muss ein Männchen sein, da deren Fühler in der Mitte einen deutlichen Knick zeigen.
Maiwürmer sind flugunfähig. Der sich beinahe schwerfällig bewegende Käfer ist lange nicht so harmlos wie er scheinen mag. Er ist in Wirklichkeit ein ziemlich giftiger Knilch. Er bildet ein körpereigenes Gift, das Cantharidin, das ihn vor Fressfeinden, wie Ameisen oder Laufkäfern, schützen soll. Droht Gefahr, kann der Ölkäfer aus Poren an seinen Beingelenken eine giftige, gelbliche Flüssigkeit austreten lassen. Diese Substanz erinnert an Öltropfen und gab dem Ölkäfer seinen Namen.
Viele Fressfeinde, wie Vögel und Igel, sind gegen das Gift des Ölkäfers immun. Manch andere profitieren sogar davon: Einige Wanzen- oder Käferarten fressen die Ölkäfer oder stechen sie an, um das dadurch aufgenommene Gift für die eigene Abwehr zu nutzen.
Auch uns Menschen ist dieses Gift seit langem bekannt. Schon 1550 v. Chr. wurde das Reizgift gegen eine Fülle von Krankheiten verwendet.
Aus zermahlenen Käfern wurde das Cantharidin gewonnen. Dieses Pulver, auch bekannt unter dem Begriff „Spanische Fliege“, gehörte zu den bekanntesten, allerdings auch gefährlichsten Mitteln zur Steigerung der sexuellen Potenz.
Bereits ein einziger Käfer enthält eine tödliche Dosis Cantharidin für einen Erwachsenen! Im antiken Griechenland wurde das Gift der Ölkäfer für Hinrichtungen eingesetzt.
Auch bei Berührung kann das starke Käfergift zu Blasenbildung auf unserer Haut führen. Darum: Bitte Hände weg von diesen blauglänzenden Insekten!!!
Außer ihrem Gift haben die Ölkäfer eine weitere unsympathische Eigenschaft: Sie sind Schmarotzer par excellence.
Das Weibchen gräbt sich im Frühling in den Boden ein und legt dort tausende von Eiern ab. Diese große Menge ist nötig, da sehr wenige der später ausgeschlüpften Larven die Chance haben, sich zu einem erwachsenen Käfer zu entwickeln. Die Eier bleiben ein Jahr im Boden.
Erst im Folgejahr schlüpfen die Larven aus dem Boden, klettern auf Blütenstängel und warten dort auf bestimmte Wildbienen, um sich von ihnen in deren Nester transportieren zu lassen. Wenn sie im Nest einer alleinlebenden Wildbiene gelandet sind, fressen sie dort die Eier der Bienen und den Pollenvorrat.
Oft haben die Larven allerdings Pech und klammern sich an ein „falsches“ Insekt. Gelangen sie in das Nest einer Hummel oder einer Honigbiene, werden sie von den Arbeiterinnen als Eindringling erkannt und unschädlich gemacht.
Nachdem sich die Larve mehrfach gehäutet hat, verlässt sie das Nest. Sie überwintert im Boden als Scheinpuppe. Erst im Frühling schlüpft daraus wiederum eine Larve, die sich schlussendlich verpuppt. Der fertige Käfer schlüpft von März bis Mai.
Bei dieser Lebensweise ist es wirklich kein Wunder, dass so wenige Larven die Entwicklung vom Ei bis zum Käfer überleben. Trotz seiner enormen Vermehrungskraft ist die Verlustrate beim Ölkäfer sehr hoch. Auch der Rückgang des Lebensraumes trägt zur Bestandsabnahme bei.
In Deutschland wird der Schwarzblaue Ölkäfer in der Roten Liste als vom Aussterben bedroht geführt. 2020 wurde er zum Insekt des Jahres gewählt.
Aaalso, solltet ihr in nächster Zeit einem „Maiwurm“ begegnen, dann freut euch über den Anblick des seltenen Insekts.
Aber wirklich nur freuen – nicht anfassen!!!
Ganz herzliche Grüße von
Harald und Regina