Neujahr. Am ersten Tag des Jahres hatte ich gemütlich ausgeschlafen und wurde am späten Morgen von hellen Sonnenstrahlen geweckt – was für ein Jahresbeginn!

Der Januar ist der erste Monat des Jahres im gregorianischen und im julianischen Kalender. Benannt wurde er nach dem römischen Gott Janus, den man mit zwei Gesichtern darstellte. Er galt als Gott des Anfangs und des Endes, der Ein- und Ausgänge, der Türen und der Tore und man sagte, er habe die Fähigkeit in die Vergangenheit und auch in die Zukunft zu schauen.

Ich liebe die Zeit nach Weihnachten, wenn das alte Jahr vergangen ist und das neue noch etwas schemenhaft vor uns liegt. Endlich darf Ruhe einkehren!

Januar

Der Sozialethiker und Jesuit Friedhelm Hengsbach bezeichnet die Zeit „zwischen den Jahren“ als „Schildkröteln“: Musik hören, Briefe schreiben, „nichts tun, was mir von außen auferlegt ist.“

Und ja, es fühlt sich richtig an, den Jahreswechsel bewusst langsam, mit viel Aufmerksamkeit zu begehen. Doch wie schwer fällt uns modernen Menschen dieses Innehalten, unseren permanenten „Machen-Modus“ zu unterbrechen.

Januargedanken

Lange Waldspaziergänge tun jetzt besonders gut. So richtig in die Natur eintauchen, achtsam wahrnehmen, was um uns herum geschieht – das kann uns helfen zur Ruhe zu kommen und neue Kraft zu tanken.

Ich merke, dass ich gerade sehr viel „Leere“ brauche. Zeit für mich alleine. Zeit zum Aufatmen, zum Stillwerden, zum Beten, zum Meditieren. Zeit, um auf die vergangenen Monate zurückzublicken, loszulassen und mich aufs kommende Jahr auszurichten. Was möchte ich sein lassen, was ist mir wichtig, was sind meine Wünsche und Träume?

Januargedanken

Auch in früheren Zeiten ging man in den Tagen zwischen Weihnachten und dem 6. Januar nicht so bald wieder zur Tagesordnung über. Die Zeit der sogenannten Rauhnächte wurde besonders intensiv erlebt, mit viel Brauchtum und eigenen Ritualen begangenen.

Unsere Vorfahren waren noch viel stärker in den Naturkreislauf eingebunden als wir. Es war normal, dass vieles an Arbeit in der dunklen Jahreszeit ruhte. Nun hatte man Zeit für Näharbeiten, für kleine Reparaturen, für Feste, für Geschichten und man ging früher zu Bett.

Unser Körper ist im Winter tatsächlich nicht so leistungsfähig. Durch das fehlende Licht wird weniger Cortisol und Serotonin gebildet, also weniger Hormone, die uns wach machen. Unser natürlicher Biorhythmus braucht nun mehr Ruhe und Schlaf.

Januargedanken

Die Natur zeigt uns auch hier, wie es geht. Sie macht im Winter einfach Pause und ruht. Bäume und Sträucher stehen ohne Laub und haben ihre Kräfte in Stamm und Wurzeln zurückgezogen. Stauden sind oberirdisch abgestorben, behüten ihre engergiereichen Stoffe in Knollen und Wurzeln. Unendlich viele Samen schlummern in der Erde.

Januargedanken

Manche Pflanzen brauchen unbedingt Winterruhe und -kälte, um wachsen zu können. Bärlauch, Frauenmantel, Gundermann, Steinsame oder Waldmeister keimen nur, wenn sie lange genug tiefen Temperaturen ausgesetzt waren.

Januargedanken

Damit die reifen Samen im Herbst nicht sofort keimen und dann in der kalten Jahreszeit erfrieren, enthalten sie eine schützende Keimblockade aus hemmenden Substanzen. Durch die niedrigen Temperaturen im Winter werden diese Stoffe peu à peu abgebaut.

Januargedanken

Erst nach einigen Wochen mit Temperaturen um den Gefrierpunkt ist die sogenannte „Kaltschranke“ überwunden und die Pflänzchen können im Frühjahr ins Leben starten.

Januargedanken

Wie klug die Natur doch ist, oder? Ich finde es immer wieder faszinierend, dass bereits im tiefsten Winter alles angelegt ist, damit der Kreislauf des Lebens im Frühling erneut beginnen kann.

Und wie viel könnten wir daraus lernen?!

Januargedanken

Die Natur lässt sich Zeit, wenn die Blätter gefallen sind. Sie drängt nicht, sie hat Geduld bis der Frühling wieder kommt.

Januargedanken

Von Rainer Maria Rilke gibt ein wunderschönes Gedicht, das ich sehr mag und hier sooo passend finde …

Januargedanken

Was mich bewegt


Man muss den Dingen,
die eigene, stille,
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt,
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann;
alles ist austragen –
und dann
gebären …


Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen
des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.
Er kommt doch!


Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind,
als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos still und weit …


Man muss Geduld haben,
gegen das Ungelöste im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.


Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein.


Rainer Maria Rilke
Januargedanken

Ich bin davon überzeugt, dass auch wir leben, um zu wachsen und uns zu entfalten – genau wie dieser Baum, von dem Rilke spricht.

Und dass wir darauf vertrauen dürfen, dass nach dem Winter immer ein neuer Sommer kommt.

Januargedanken

Ich wünsche euch ein glückliches neues Jahr, voller Gesundheit, Lebensfreude und vielen schönen, erfüllenden Momenten. Fühlt euch feste gedrückt!

Herzliche Grüße von

Regina