Sicher kennt ihr die wunderschönen Heilpflanzen- und Gemüsemärchen von Ursula Bertsch? „Wilma Walnuss“, „Großmutter Feuerbohne“ und ihre Freunde sind auf vielen unserer Veranstaltungen mit von der Partie.
„Weihnachten im Wald“ ist eine ganz zauberhafte Weihnachtsgeschichte, die uns mitnimmt in die Welt der Bäume. Herzlichen Dank, liebe Frau Bertsch, dass ich dieses Märchen heute auf unserem Blog veröffentlichen darf!
Weihnachten im Wald
In einem Winter vor vielen, vielen Jahren geschah es, dass eine Wandersfrau eine der Weihnachtsnächte mitten im Wald verbringen musste. Sie war unterwegs gewesen in die Stadt auf der anderen Seite des Waldes, aber sie hatte die Größe des Waldes nicht gewusst und als die frühe Dunkelheit kam, konnte sie ihren Weg nicht mehr erkennen. Als sie eine große, uralte Eiche sah, deren mächtiger Stamm ein Stück weit ausgehöhlt war, da war sie ganz glücklich, einen solchen Unterschlupf zu finden.
„Ob die Bäume wohl auch Weihnachten haben?“, überlegte sie, als sie sich ihre kleine Höhle mit Moos und dünnen Ästen einrichtete.
Sie erinnerte sich, wie sie als Kind gehört hatte, dass es bestimmte Tage und Nächte gäbe, in denen die Menschen die Sprache der Tiere und Pflanzen verstehen könnten.
Und tatsächlich, als sie sich hingelegt hatte und um sie herum nur noch Dunkelheit und Stille war, da konnte sie hören, wie die Bäume zu reden begannen, und wie sie ihr, der Menschenfrau, von dem Weihnachten der Bäume erzählten.
„Weihnachten ist, wenn Dunkelheit und Licht sich begegnen“, sagte die uralte, knorrige Eiche. „Für uns Bäume ist das der Moment, in dem der Same zu keimen beginnt. Wenn ein Same in der Erde liegt, hat es zuerst den Anschein, als würde gar nichts geschehen in dieser tiefen Dunkelheit, in der er jetzt liegt und die er jetzt so notwendig braucht. Wie ein tiefer Schlaf ist das, tief und nur scheinbar traumlos.
Aber verborgen in seinem Innern, da hat jeder Same in sich ein Bild von genau dem Baum, der er einmal sein wird, genauso wie er das Wissen um die Jahreszeiten und um das Kommen und Gehen des Lichts in sich trägt.
Und irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo der Same beginnt, das nach außen zu treiben, was in ihm drinnen ist. Seine Schale bricht langsam auf, er beginnt zu keimen, wächst schon unter der Erde dem Licht zu und dann immer weiter hinaus und hinauf, dem Himmel entgegen.“
Und eine der hohen, glattglänzenden Buchen, die zusammen mit ihren Schwestern den Wald einer Kathedrale gleich machten, sprach weiter. „Im Herbst und dann im Winter, wenn es kälter wird und die Tage kürzer werden, da sehen wir Bäume irgendwann aus, als ob wir sterben würden, aber wir ziehen uns nur in uns und in unsere Wurzeln zurück und holen uns die Kraft und die Ruhe der Dunkelheit, um weiterwachsen zu können.“
Da sagte ein ganz kleiner, junger Haselnussstrauch: „Aber das passiert doch jeden Tag und jede Nacht, dass Licht und Dunkelheit sich begegnen!“
Das schien die alten Bäume zu freuen. „Ja“, nickte die alte Eiche, „das geschieht immer und wir Bäume wissen das auch immer. Und trotzdem gibt es diese ganz besonderen Zeiten, wo Bedeutungen spürbarer sind.
Das ist für alle Lebewesen so, aber für die Menschen sind diese Tage und Nächte wichtiger noch als für uns, weil sie keine Wurzeln wie wir Bäume haben, und weil es ihnen viel schwerer fällt, still zu sein und hinzuhören.“ Dann war es wieder still.
Die Wandersfrau schlief tief und fest, geborgen in dem großen Mantel der Eiche.
Am nächsten Morgen bedankte sie sich bei ihr für den Schutz in der Nacht und bevor sie weiterwanderte, bedankte sie sich bei den alten weisen und bei den jungen vorwitzigen Bäumen, dass sie ihre Weisheit mit ihr geteilt hatten und sie konnte genau erkennen, dass die Bäume ihr freundlich zulächelten.
aus „Wilma Walnuss“ von Ursula Bertsch
Ja, Dunkelheit und Licht – Tiere, Pflanzen und auch wir Menschen sind auf beides angewiesen.
Dunkelheit reguliert unseren natürlichen Biothythmus. Dämmerung oder gedämpfte Beleuchtung lösen ein Gefühl der Entspannung in uns aus, lassen uns zur Ruhe kommen. Viele Tierarten haben ihre Verhaltensweisen an die Dunkelheit angepasst. Durch die enge Verbindung von Lebewesen in Nahrungsnetzen ist jede einzelne Art wichtig für die Stabilität ganzer Ökosysteme. Nächtliche Dunkelheit bewahrt also Biodiversität.
Licht dagegen ist eine Energiequelle für alle Organismen. Es wirkt aktivierend, stärkt das Immunsystem und hebt unsere Stimmung. Pflanzen benötigen die Energie des Sonnenlichts für die Photosynthese. Ihre Entwicklung, ihr Stoffwechsel, alles Wachstum ist abhängig von Licht.
Ohne Dunkelheit und ohne Licht gäbe es kein Leben.
Auch das Weihnachtsfest ist eng mit Dunkelheit und Licht verbunden.
An Weihnachten feiern wir Christen die Menschwerdung Gottes. Jesus Geburt bringt Licht und Hoffnung inmitten von Krisen, von Krieg und Zerstörung. Er kommt gerade ins Dunkle, Zerbrochene, Furchtsame und Erschöpfte.
Weihnachten ist die Lichtspur in der Dunkelheit.
Prof. Dr. Beate Hoffmann, Bischöfin ev Kirche
So wünschen wir euch in den kommenden Tagen wohltuende Momente der Stille, des Innehaltens und ein lichterfülltes, frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Seid herzlich gegrüßt von
Harald und Regina