Die Echte Nelkenwurz (Geum urbanum) gehört zur Familie der Rosengewächse und ist eine der Pflanzen, die man in lichten Wäldern, am Wegesrand, an Gräben oder unter Zäunen und Hecken in unseren Gärten das ganze Jahr über finden kann. Selbst im Winter kann man die dunkelgrünen, rauhen und leicht haarigen Blätter unter altem Laub entdecken. Sie wachsen in einer grundständigen Rosette und legen sich bei großer Kälte flach auf Boden um sich zu schützen. Selbst unter frischem Schnee sah ich im Dezember einige Blättchen hervorspicken.

Wald & Wiese - Echte Nelkenwurz unter altem Laub

Die Blätter der Echten Nelkenwurz sind eine sehr willkommene Vitaminquelle in der kalten Jahreszeit, in der es an frischem Kräutergrün etwas mangelt.

Wald & Wiese - Blätter der Echten Nelkenwurz

Der deutlich spannendere Teil der Echten Nelkenwurz liegt allerdings unter der Erde: Ältere Pflanzen haben einen mehrere Zentimeter langen, runzeligen, bräunlichen Wurzelstock (Rhizom) in Fingerdicke, von dem ein dichtes Gewirr heller Wurzeln ausgeht. Bei jüngeren Pflanzen sind die Wurzeln noch fein und der Wurzelstock ist kaum ausgeprägt. Ab September bis in den März hinein kann man die Wurzel der Echten Nelkenwurz ernten. Dafür lockere ich die Erde rund um die Pflanze zuerst gut mit einer kleinen Grabgabel und dann hebe ich die Pflanze mitsamt den Wurzeln vorsichtig aus dem Boden, um kein Würzelchen zu beschädigen. Vor der weiteren Verwendung müssen die Wurzeln sorgfältig gesäubert und gewaschen werden.

Wald & Wiese - Wurzelrhizom der Echten Nelkenwurz

Beim Aufschneiden einer Echten Nelkenwurz bin ich nach wie vor fasziniert: Das Innere des Rhizoms zeigt eine purpurfarbene Mitte und dem ganzen Wurzelwerk entströmt ein unglaublicher, etwas erdiger Nelkenduft.

Was ist aber nun das Besondere an diesen „Nelkenwurzeln“? Was macht man damit?

Wald & Wiese - aufgeschnittenes Rhizom der Echten Nelkenwurz

Es sind die Inhaltsstoffe, die die „Geum urbanum“ zu einer schon im Altertum und Mittelalter bekannten Heilpflanze machten. Insbesondere die Wurzel enthält bis zu 18 % Gerbstoffe, ätherische Öle (überwiegend Eugenol), Bitterstoffe, Flavone und Glykoside.

Die Wirkung ist blutstillend, herz- und nervenstärkend, zusammenziehend, verdauungsfördernd, krampflösend, entgiftend, fiebersenkend, schmerzstillend und vor allem auch entzündungshemmend (antiseptisch).

Die antiseptische und schmerzstillende Wirkung verdankt die Echte Nelkenwurz dem Inhaltsstoff Eugenol, den man auch in Gewürznelken findet, allerdings in noch höherer Dosierung. Sicher kennt ihr diesen typischen warm-würzigen Geruch, der etwas von Weihnachten hat, oder? Und noch meine Großmutter erzählte, dass man früher bei Zahnschmerzen ganze Nelken kaute. Ich denke, das haben viele von euch schon gehört.

Die enthaltenen Gerb- und Bitterstoffe haben eine pflegende Wirkung für Magen, Darm, Leber und Galle (vor allem bei nervös bedingten Störungen) und wurden volksmedizinisch bei Verdauungsproblemen, leichtem Durchfall, zur Wundheilung, bei Zahnfleischentzündungen, Krampfadern und bei zu starken Regelblutungen eingesetzt.

Man machte sich die tonisierende Wirkung der Echten Nelkenwurz zunutze und setzte sie gegen Appetitlosigkeit und zur Genesung nach langer Krankheit ein.

Wald & Wiese - Blatt der Echten Nelkenwurz

Ich finde es immer sehr spannend, in alten Büchern nach Geschichten über heilende Pflanzen zu suchen. Die Echte Nelkenwurz wurde früher in Klöstern und Gärten angebaut, war eine wichtige Heil- und Gewürzpflanze. Man nannte sie „Heil aller Welt“, was deutlich zeigt, welchen Stellenwert sie damals in der Heilkunde einnahm. Sie diente auch als Ersatz für die exotischen, unglaublich teuren Gewürznelken, die von den Gewürzinseln (Molukken, heute Indonesien) über den Seeweg nach Europa eingeführt werden mussten.

Selbstverständlich ranken sich auch viele Mythen und Aberglaube um das Heilkraut. So wurde die getrocknete Wurzel der Nelkenwurz gemahlen und kam in das sogenannte „Malefizpulver“, das vor allem Bösen und vor schwerer Krankheit schützen sollte.

Die Echte Nelkenwurz war ein von der Kirche „gesegnetes Kraut“, gebenedeit, woher vermutlich auch der Name „Benediktenwurzel“ stammt. Sie war dem heiligen Benedikt (480 – 547), Abt und Gründer des Benediktinerordens, gewidmet und soll an seinem Gedenktag, dem 21. März, besonders viel Kraft enthalten. Interessant finde ich daran, dass die Wurzel der Echten Nelkenwurz tatsächlich im März das intensivste Aroma hat. In alten Büchern steht häufig, man solle die „Märzwurz“ erst im Frühling graben.

Wald & Wiese - Ansatz Hildegard von Bingen Wein

Auch Hildegard von Bingen (1098 – 1179), Äbtissin und Universalgelehrte, kannte die „Benedicta“ und schrieb, die Nelkenwurz stärke das Haupt und Gehirn und erquicke das Herz. Sie empfahl die Pflanze um „die Liebe zu entflammen“ und meinte, dass auch der Wein mit Nelkenwurz einen edleren und lieblicheren Geschmack annehmen würde. Alte Bezeichnungen für die Echte Nelkenwurz wie „Mannskraftwurzel“, „Weinwurzel“ deuten auf diese Verbindungen hin.

Nervenstärkend, entgiftend, antiseptisch, kräftigend und dazu noch aphrodisierend – wenn das nicht spannend klingt. Nun, vielleicht kann uns die Echte Nelkenwurz etwas unterstützen in unserer schnelllebigen und fordernden Zeit und wächst nicht umsonst in unserer Nähe? Wer weiß?

Wald & Wiese - Hildegard von Bingen Wein

Als ich das Rezept für den Hildegard von Bingen Wein von einer meiner Dozentinnen bekam, musste ich es selbstverständlich gleich ausprobieren.

Zugegeben, das Ausgraben der Wurzeln ist mit etwas Aufwand verbunden. Die einzelnen Rhizome wiegen nicht viel und 250 g sind eine ziemliche Menge. Vielleicht testet ihr das Rezept zuerst mit der halben Menge an Zutaten? Wenn es sich bewährt und euch der Wein guttut, könnt ihr jederzeit nachproduzieren.

Wald & Wiese - Hildegard von Bingen Wein

Hildegard von Bingen Wein

Zutaten:

250 g Wurzeln der Echten Nelkenwurz
1 l guter Weißwein

Zubereitung:

Wurzeln nach dem vorsichtigen Ausgraben gut säubern, die Rhizome der Länge nach halbieren und in ein großes, sauberes Glas geben. Mit Weißwein begießen, Glas verschließen und bei Zimmertemperatur 10 – 20 Tage stehenlassen. Danach abseihen und in sterile Flaschen abfüllen. Dunkel lagern.

Bei Bedarf 1 x am Tag 1 Likörgläschen trinken. Kurmäßige Anwendungsempfehlung bis zu 4 Wochen.

Der Hildegard von Bingen Wein soll die gesamten Verdauungsorgane stärken, für neue Kraft in Zeiten der Rekonvaleszenz sorgen und leicht aphrodisierend wirken.

Wald & Wiese - Hildegard von Bingen Wein

Der fertige Wein schmeckt intensiv nach Nelke, etwas erdig, und man spürt deutlich die Gerbstoffe auf der Zunge. Ich mag den Geschmack und bin nun sehr neugierig was ihr dazu sagt…?

Und noch ein kleiner Tipp: Für die Herstellung meiner Produkte, die die Gesundheit fördern sollen, verwende ich immer hochwertige, regionale Zutaten in Bio-Qualität. Damit habe ich ein gutes Gefühl.

Ich wünsche Euch viel Freude bei der Herstellung und beim Ausprobieren des Rezepts.

Herzliche Grüße von

Regina